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© Dirk Burchard am 6. Januar 1996 www.ryker.de/dirk/archiv/applaus.html

Ein Abend mit Applausforschung

1989 erschien im ZENTRALVERLAG die Applausforschung des Delmenhorster Künstlers Harald Falkenhagen und fiel nunmehr gestern abend in meine Hände.

Der Gedanke an die Tätigkeit des Beifallklatschens bescherte mir sogleich einige Assoziationen. Saß ich doch kürzlich in einem Brecht-Abend mit kurzen Episoden, die von einer Zuschauerin nach jeder wie ein Abschluß wirkenden Szene ungehalten beklatscht wurden. Sehr fraglich war für mich, ob die Darsteller einen umso längeren Schlußpplaus nicht dem ständigen Abwarten vorgezogen hätten, wann denn das Publikum sich ausgeklatscht hätte.

Auch der Kino-Besuch zu "Schindlers Liste" kam mir in Erinnerung. Der Film endete nicht mit dem Verlassen des Kinos nach oder während des Abspanns. (Vor dem Abspann wird ein Film regelmäßig fast nur in UFA-Kinos verlassen!) "Schindlers Liste" endete mit einem Aufspringen vieler Zuschauer um die vom Licht bestrahlte Leinwand auf das Heftigste zu beklatschen.

Die Frage, ob ich mich dem Verhalten der Beifallspender anzuschließen hätte, gerade dies verweigern oder aber eine ganz individuelle Variante des Beifallzollens entwickeln sollte, ist gelegentlich nur mühsam zu einem Genuß zu erheben.

Mit den Tücken der Beurteilung von Applaus beschäftigt sich die Applausforschung von Harald Falkenhagen. Er stellte Applausbewertungen aus dem Delmenhorster Kreisblatt aus den Jahren 1962 bis 1989 zusammen. Er bereichert damit die Applauforschung um eine Detailstudie über die Frage des Einsatzes von Applaus. Diese läßt eine Applausbewertung mit Applausometern, wie sie in Fernsehshows üblich sind, an Differenzierung weit hinter sich.

Daß die Frage der Applausforschung seit 1989 nicht zu einer klärenden Diskussion geführt hat, erscheint mir danach verwunderlich, eröffnet doch die Tätigkeit des Klatschens gar zahlreiche kulturbedeutsame Fragestellungen und Forschungsansätze. In Anbetracht der derzeitigen Wertschätzung von Kulturfragen würde dieses Ansinnen vermutlich in einen interessegeleiteten Diskussionsabend versanden unter dem Titel "Brauchen wir die Applausforschung?" Allenfalls Max Goldt würde dazu eine bitterböse Kolumne in der Titanic veröffentlichen...

Um jedoch die Problematik der Applausforschung mahnend herauszustellen, möchte ich mit dreieinhalb Zeilen schließen, die Harald Falkenhagen in der Delmenhorster Kreiszeitung vom 14. 11. 88 entdeckte und der Applausforschung dankenswerterweise zugänglich gemacht hat:



Geklatscht wurde dann, wenn
die Musikanten aufstanden, in
der Annahme, ein Stück wäre
abgeschlossen.




[Leider hat Harald mir für die Veröffentlichung von stephanie.html den Zugang zur Mailbox FORUMconnect teilweise gesperrt. Und sein Freund Volker Redder versuchte, mich dafür mit www.netpool.de/ryker/ zu ärgern. Aber trotzdem hat Harald mal gute Kunst gemacht.]





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