© Dirk Burchard 6./7. Juni 2002 | www.ryker.de/dirk/archiv/aktion-mw.html |
(Beitrag aus de.soc.politik.misc) Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit bis der bundesdeutsche Rechtsruck seit der Wiedervereinigung
auch den Antisemitismus neu mobilisiert. Seitdem sich 1990 der Mob der ehemaligen DDR mit westdeutschen Reaktionären verbrüdert und damit auch das labile westdeutsche Kräfteverhältnis zugunsten der Reaktionäre verschoben hat, waren es zunächst Ausländer, die beim nazionalistischen Zusammenrücken
zu Sündenböcken für gesellschaftliche Mißstände ausgewiesen wurden, und in der Gefolgschaft dieses reaktionären Mainstreams wurden vom Mob vor allem in ostDeutschland zahlreiche grausame Gewalttaten verübt worden, von denen nur eine kleine Zahl öffentliche Aufmerksamkeit erregt hat. Mit Jürgen Möllemanns rechtspopulistischen Versuch, Juden als Sündenböcke beim nazionalistischen Zusammenrücken auszuweisen, hat dieser Mainstream aber erstmals eine Minderheit getroffen, die nennenswert organisiert ist und sogar eine gewisse Lobby hat.
Am Zentralrat der Juden in Deutschland und insbesondere an Paul Spiegel hängt diesmal also viel. Sein Vorgänger Ignatz Bubis hatte nach dem Krieg mal für die Degussa geraubtes jüdisches Gold transportiert (vgl Süddeutsche Zeitung vom 1. September 1998, Seite 11), weil er als Jude Gold mit Billigung der Alliierten transportieren durfte, Bubis hat an der Seite der Reaktionäre gestanden, als diese ihren Antisemitismus Rainer Werner Fassbinder anhängen wollten, und Bubis hat mit Helmut Kohl die NeueWache in Berlin eingeweiht, die Nationalsozialisten, Mitläufer und deren Opfer gleichermaßen zu Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft erklärt. Kurz vor seinem Tod ist Bubis allerdings mit Martin Walser noch auf einen Nationalisten gestoßen dessen Brandstiftung Bubis völlig zu recht entschieden kritisiert hat - vgl dazu:
http://groups.google.com/groups?as_umsgid=8PmOA3h5kKB@odessa.bonbit.org
http://groups.google.com/groups?as_umsgid=3A2C34F4.36DEA763@web.de
Bubis hat sein oftmaliges Mitlaufen in diesem Interview noch bedauert, und sein Nachfolger als Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland Paul Spiegel vertritt zum Glück sehr viel entschiedener Position. Am 20. Juli 2001 lief er zwar auch noch zum Gelöbnis der Bundeswehr und unterstützte die deutschen Reaktionäre bei ihrer Reduzierung des Widerstands gegen den Nationalsozialismus auf die gescheiterten Attentäter vom 20. Juli 1944. Aber inzwischen weist Paul Spiegel deutlich auf die im Aufbau befindliche pseudo-intellektuelle und sich kulturell orientierende Speerspitze der neoNazis hin und kritisiert konvertierungsProjekte für stiefelNazis wie jenes von Christoph Schlingensief zutreffend als Verbrüderung
mit den neoNazis - vgl dazu:
Message-ID: <1fbrumo.b73kq61080kswN%dburchard@web.de>
Am 11. Mai 2002, also einige Zeit vor Möllemanns Entgleisungen, hatte ich in de.soc.politik.misc formuliert: Ich gehe davon aus, daß sich die FDP entwickeln wird wie die FPÖ in Österreich, weiter bürgerrechtsliberale Persönlichkeiten wegdrücken und sich zu einer modernen
rechtspopulistischen Partei entwickeln wird - siehe:
Message-ID: <1fbzwef.ci0o79n7jojmN%dburchard@web.de>
Tatsächlich stehen keine bürgerrechtsliberalen Persönlichkeiten mehr in den vordersten Reihen der FDP. Nur noch wirtschafts- bzw neoLiberale repräsentieren diese Partei der besserVerdienenden. Tatsächlich hat die FDP auch niemals eine bürgerrechtsliberale Basis gehabt. Sie war nach dem Krieg ein Sammelbecken der Mitläufer, die hinter ihren bürgerrechtsliberalen Frontleuten demokratische Läuterung geheuchelt haben. Diese Frontleute wurden während der sozialliberalen Koalitionen in den 70ern sogar recht einflußreich bis 1982 Hans Dietrich Genscher mit seiner Wende
zur CDU zu deren Kaltstellung ansetzte, wobei zuletzt die FDP-Bundesjustizministerin Sabine LeutheusserSchnarrenberger fallengelassen wurde, die den großen Lauschangriff der Regierung Kohl und damit einen Überwachungsstaat nicht mitverantworten wollte - vgl:
Message-ID: <1fcaj29.m0781yxrdnq1N%dburchard@web.de>
Message-ID: <1etl1fm.ygerg14q2tynN%netzmeister@ryker.de>
SpaßKanzlerkandidat Guido Westerwelle mag sich also verbal von den Ausfällen seines Stellvertreters Möllemann distanzieren, Konsequenzen ziehen wird er keine, weil die Strategie18 selbstverständlich auch das wählerFischen am rechten Rand beinhaltet und dafür auch ein vorgeblich gedeckelter Möllemann hervorragend geeignet ist, der sich als zur Entschuldigung
genötigtes Opfer einer jüdischen Verschwörung
inszeniert. Und diese Verlogenheit Westerwelles wird offenbar, wenn man dessen theatralische Genugtuung über die "Entschuldigung" Möllemans betrachtet, während dieser vor laufenden Kameras schon erneut gegen Michel Friedman nachtrat
(Nachtreten
nannte diese Äußerungen der altFDP-Mann Otto Graf Lambsdorff). Die FDP offenbart nun also ihr wahres Gesicht und verabschiedet sich ins rechtspopulistische Spektrum.
Paul Spiegel und Guido Westerwelle werden sich demnächst treffen. Westerwelle wird versuchen, Spiegel eine öffentliche Erklärung abzuringen, der Konflikt mit dem Zentralrat der Juden sei beendet und damit möglichst ein Attest
, daß die FDP keine antisemitische Partei sei. Es ist zu hoffen, wenn Paul Spiegel sich auf ein solches Gespräch schon einläßt, daß er eine diplomatische Formulierung findet, die öffentliche Diskussion zu beenden ohne der FDP den von Westerwelle angestrebten PersilSchein
auszustellen, denn der Flurschaden, den Möllemanns Mobilisierung des braunen Mobs in dieser Gesellschaft angerichtet hat, ist leider jetzt schon immens. Am besten stellt Paul Spiegel einfach klar, daß die FDP sich eigentlich nur noch mit einem Parteiausschluß Möllemanns vom ihrem wählerFischen im rechten Rand distanzieren kann, zumal von Hildegard HammBrücher schon am 1. Juni 2002 zu lesen war: Ich glaube nicht, dass noch irgendeine Hoffnung besteht, Herrn Möllemann auf den Kurs zurück zu führen, der beim Parteitag in Mannheim verabschiedet wurde
, um die Partei nicht pausenlos in unwürdige Auseinandersetzungen
zu verwickeln, gebe es nur eine Konsequenz: Den Rücktritt Möllemanns von seinem Amt als stellvertretender Bundesvorsitzender. Eher werden aber die FDP und die politischen Mitte
noch weiter nach rechts driften und sich dabei weiterhin liberal
und Mitte
nennen...
Nachträge: Das Treffen des Zentralrats der Juden in Deutschland mit der Führung der FDP ohne Jürgen W Möllemann fand am Dienstag, den 11. Juni 2002, in Berlin statt. Paul Spiegel stellte Möllemanns Ablösung als stellvertretender Parteivorsitzender der FDP zur Diskussion ohne diese ausdrücklich zu fordern, wie sein damaliger Stellvertreter Michel Friedman dies tat. Guido Westerwelle nannte es eine Auszeichnung, daß sich der Zentralrat wieder zum Gespräch mit der FDP bereitgefunden habe. Wenige Tage vor der Bundestagswahl vom 22. September 2002 erneuerte Möllemann seine antisemitischen Attacken und belegte damit erneut, daß es ihm um Stimmenfang am rechten Rand ging (2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10). Hildegard HammBrücher markierte danach das endgültige Ende der bürgerrechtsliberalen Ära ihrer Partei indem sie aus der FDP austrat, und Möllemann suchte weiter den parteiinternen Machtkampf (12, 13, 14, 15, 16). Die FDP wollte sich durch Möllemanns Parteiausschluß reinwaschen, dem dieser durch seinen Parteiaustritt zuvorgekommen ist (17, 18, 19, 20, 21), und die CDU wendete sich anderen Mehrheitsbeschaffern zu. Nachdem sich die FDP weiter von ihm distanziert hatte, stürzte Jürgen Wilhelm Möllemann mit einem Falschirmsprung am 5. Juni 2003 in den Tod, während Staatsanwälte zahlreiche seiner Büros durchsuchten (23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64, 65, 66). Letztlich hat die FDP die antisemitischen Ausfälle Möllemanns benutzt, um sich von ihm zu distanzieren, da er jahrelang illegal die FDP finanziert hatte und in diesem Sumpf nun ermittelt wurde, damit nicht ein Parteispendenskandal auch noch die Ruinen der bürgerrechtsliberalen Fassade der FDP eingerissen hätte, und nachdem Möllemanns und Westerwelles Projekt18
vordergründig das Wahlziel 18 % darstellen und mit dem 1. und 8. Buchstaben des Alphabets, den Initialien Adolf Hitlers, die entsprechende Klientel ansprechen sollte, wurde diese Strategie im Dezember 2003 von dem russischen Rechtsextremisten Wladimir Schirinowski übernommen:
Und als im Jahr 2010 die Pensionsansprüche der meisten altNazis erloschen sind, die überwiegend insbesondere auch in Bundesministerien noch ehrend gedenkende Nachrufe von ihren Zöglingen bekommen haben (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16), werden wieder die liberalen Urgesteine
vorgeschickt, um sich von der allgemein bekannten braunen Vergangenheit der FDP zu distanzieren, damit die Zöglinge mit denselben Methoden weitermachen und behaupten können, die Geschichte sei aufgearbeitet…
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