© Creative Commons Lizenzvertrag

© Dirk Burchard zum 18. März 2012 www.ryker.de/dirk/archiv/noidontgauck.html

No, I don't Gauck.

Neue Spielzeit im Schloß Bellevue.

Derweil in Berlin die Krönungsfeierlichkeiten für den neuen Bundespräsidenten stattfinden, sortiere ich also ein dazu durchgeführtes Experiment. Meinungsbildung online hat mich interessiert schon als diese noch in Mailboxen stattgefunden hatte, und darüber bin ich auch an die notwendigen Informationen gelangt, um erstmals am 14. Februar 1996 über meinen eigenen Computer das Internet zu erkunden. Stephanie Ryker ist dabei spielerisch entstanden, und Zusammenrottungen von Flame-Warriorn habe ich kennengelernt, die dann dumm aus der Wäsche geschaut haben, wenn Mailbox-Administratoren diese haben auflaufen lassen, daß sie nicht die Mehrheit sind, als die sie sich im Mob wähnten. Danach war das Usenet eine großartige Entdeckung bis ich feststellen mußte, daß die Administratoren von T-Online nicht mehr auf Distanz zum Mob bedacht waren wie früher in Mailboxen. In den Foren des Heise Verlags sollte das daher besser funktionieren, zumal sie an journalistische Inhalte geknüpft sind, die eine gewisse Sachorientierung vorgeben, wenngleich die im Idealfall komplette Selbstorganisation der Informationstauscher des Usenets selbstverständlich mehr Charme hat. Immerhin konnte ich in Hannover meine Erwartungen an den Bundespräsidenten Joachim Gauck lange vor seiner heutigen Wahl dort abklären, und das hatte eigentlich schon damit angefangen, daß ich mit Christian Wulff in gewisser Weise sehr zufrieden war:



Auf Gewulfft wie? am 23. Januar 2012 01:38
Hast du schon mal etwas so schön zusammenkrachen gesehen? ... (Alexis Sorbas)

Hier mal meine ganz persönliche, spontane Zwischenbilanz:

  1. Worum BILDblog sich jahrelang bemüht hat, das schaffte Wulff mit einem einzigen Mailboxanruf in wenigen Wochen, nämlich die publizistische Macht der Springer-Presse und das Vertrauen seiner eigenen Seilschaften darauf zu brechen.
  2. Die Demontage des Machtapparats, die Wulff leistet, übertrifft bei weitem die Bloßstellungen von zu Guttenberg, der mit gehaltloser Schaumschlägerei, sowie opportuner sozialer Herkunft und politischer Gesinnung juristische Bestnoten hinterhergeworfen bekommen hat und zur Blitzkarrieren bis zum Kanzlerkandidaten der Herzen hochgejubelt wurde.
  3. Wulff treibt den Deutschen erfolgreich den Nationalismus aus, indem er ihn exakt jenen verleidet, die sich letztlich über ihr Staatsoberhaupt definieren wollen.
  4. Auch die niedersächsische Komponente ist grandios, etwa wie Finanzminister Möllring sich selbst auf einen simplen Zwischenruf im Landtag in die Affäre hineingezogen hat. Das sieht so aus, als wollten die sich rauswinden, indem sie sich als Opfer von Glaeseker inszenieren, und tatsächlich können sie sich den Stachel kaum tiefer ins eigene Fleisch stoßen als mit einer solchen Schlammschlacht.
  5. Merkels politische Karriere wird auf ihre Machtanbiederung reduziert, denn sie war keine DDR-Bürgerrechtlerin, die für Inhalte gestanden hätte, sondern hat sich immer nur bei CDU-Haudegen angekuschelt und etwa für Helmut Kohl das Atommüllendlager Morsleben durchgedrückt. Mit Wulff hat sie sich noch dramatischer vergriffen als bei dessen Vorgänger, über den Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident noch vor dessen Wahl gesagt hatte: "Köhler ist Merkels Mann." Und wie eine Drohung fügte er hinzu: Das gelte auch für einen negativen Verlauf der Wahl - oder Amtszeit.

Diese Demontage des neopreußisch-nationalen Wiedererwachens seit der Wiedervereinigung kann von mir aus gern bis zum Ende von Wulffs Amtszeit und dann immer weitergehen, zumal Merkel auch seit über zwei Jahren den gesamten europäischen Einigungsprozeß in die Tonne tritt, ohne auf nennenswerten innenpolitischen Widerstand zu stoßen. Bis Wulff seine anarchische Mission erledigt hat, hat Obama gegen eine von diesen Schießbudenfiguren gewonnen, und die Russen haben Putin mit Massendemonstrationen abgesägt, so daß Deutsche wieder ihre Fahne in den weltpolitischen Wind stellen können wie damals zur Wiedervereinigung...



Einen Monat später hatten sich alle etablierten Parteien auf Joachim Gauck als Nachfolger für den am 17. Februar 2012 vom Amt des Bundespräsidenten zurückgetretenen Christian Wulff geeinigt, und die Diskussion um diesen Kandidaten begann:



Auf Gauck gegen Wikileaks und für Vorratsdatenspeicherung am 21. Februar 2012 17:18
Gauck, das erste ganz große gesamtdeutsche Geschichtsfälschungs-Festival...

Mit unglaublicher Penetranz wird Joachim Gauck als "DDR-Bürgerrechtler" bezeichnet, ohne auch nur die kleinste Andeutung, wofür er sich in der DDR eingesetzt haben soll. Was soll es mehr gewesen sein über die ohnehin in der evangelischen Kirche der DDR angesagte Distanz zum System hinaus? Warum schreiben das diejenigen einfach nicht, die ständig diese so wohlklingende Bezeichnung verwenden?

Ich will Gaucks DDR-Lebenslauf als westDeutscher gar nicht gern bewerten, aber zum Thema DDR-Bürgerrechtler fallen mir durchaus Persönlichkeiten ein, bei denen das im Gegensatz zu Gauck eindeutig und deren Lebenslauf nach der Wiedervereinigung auch auffallend anders verlaufen ist:

1995 hat es Ingrid Köppe abgelehnt, sich das Bundesverdienstkreuz von Roman Herzog anheften zu lassen. Sie schrieb dem damaligen Bundespräsidenten: "Das Vorhaben, nun einigen damals exponierten Personen einen Orden der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen, steht im Gegensatz zur realen Geringschätzung der Bürgerbewegung". Roman Herzog trat nach, daß manche, die Freiheit erkämpft hätten, nun orientierungslos und verzweifelt seien, und "Deshalb wird es noch sehr lange nötig sein, in Deutschland die unterschiedlichen Erfahrungen und Biographien wechselseitig zu respektieren." Auch wenn Herzog das gar nicht so gemeint hatte, kann ich genau das heute wieder empfehlen, denn ich habe das damals zum Anlaß genommen, eine herumliegende taz-CD-ROM nach Ingrid Köppe zu durchsuchen und alle Artikel der Reihe nach zu lesen (habe ich übrigens noch als textDatei):

Ingrid Köppe war eine von vier DDR-Bürgerrechtlern des Bündnis90, die im ersten gesamtdeutschen Bundestag gesessen haben als die westdeutschen Grünen an der Fünfprozenthürde gescheitert waren. Sie hat im Schalck-Golodkowsky-Untersuchungssausschuß insoweit herausragende Bürgerrechtsarbeit geleistet, weil sie nicht nur dessen korruptes KoKo-Imperium durchleuchtet hat, sondern auch dessen westdeutsche Geschäftspartner. Ihr Bericht hat deshalb sogleich einen Geheim-Stempel bekommen, wurde aber trotzdem der Presse zuspielt. Nach Köppes Ausscheiden aus dem Bundestag und damit dem Verlust ihrer Abgeordneten-Immunität, sowie kurz bevor Roman Herzog sein Blech verteilen wollte, wurde ihre Wohnung nach etwaigen Beweisen durchsucht, daß sie das gewesen sein sollte, obwohl im Bundestag sehr viele dafür im Frage hätten kommen können. Ihre Ablehnung auf diese politische Verfolgung für eine schlichte Fortsetzung ihrer Bürgerrechtsarbeit, ist also mehr als verständlich.

Ingrid Köppe dürfte ein sehr typischer Lebenslauf einer DDR-Bürgerrechtlerin gewesen sein, während Joachim Gauck sich unter Kohl ebenso arrangiert haben wird wie in der DDR. Zwar finde ich das unter dem Gesichtspunkt der Informationsfreiheit durchaus beachtlich, daß er eine Behörde organisiert hat, in der Stasi-Opfer ihre Akten einsehen konnten. Aber ich stelle mir das auch übel vor, sich dort seine Akten aus dem einen Unrechtsstaat ansehen zu dürfen und der neue schwärzt schon wieder ganze Passagen. Sollen Journalisten doch diejenigen Stasi-Opfer zu Wort kommen lassen, die das damals erlebt haben und wie gut sie sich bei Herrn Gauck aufgehoben gefühlt haben. Ich bin da nunmal westDeutscher, fand zwar die Behörde als solches gut, aber anders als bei Marianne Birthler war ich bei Gauck immer irgendwie mißtrauisch.

Bei Merkel hingegen wußte ich hingegen schon Mitte der 90er, daß mein Mißtrauen gerechtfertigt war. Sie war die Gastgeberin des zweiten Welt-Klima-Gipfels in Berlin zwischen dem ersten in Rio, wo das Thema erstmals auf der Tagesordnung kam, und dem dritten in Kyoto, wo auch tatsächlich etwas beschlossen wurde. Die von ihr für Kohl damals unterdrückten Klimaschutzargumente hat sie dann später verheizt als Klima-Queen, aber nur solange, sie von ihrem Freund George W Bush dabei mit neckischem "She's smart. She's clever" gestoppt wurde - seitdem hat sie jegliche Lust am Klimaschutz verloren. Noch schlimmer waren ihre Weisungen an das Umweltministerium von Sachsen-Anhalt, die Genehmigung des DDR-Atommüllendlagers Morsleben in bundesdeutsches Recht zu überführen. Ebenfalls vom Bündnis90 hatte sich die dortige Umweltministerin Heidrun Heidecke hartnäckig gegen diese Weisungen gewehrt und Merkel sich letztlich für Kohl und die Atomlobby durchgesetzt:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-61366517.html

Ich habe es schon lange satt, eine ostdeutsche Kanzlerin zu erleben, die für ihren persönlichen Aufstieg jeden Schweinkram gemacht und insbesondere jene ost- und westdeutschen Bürgerrechtler weggedrückt hat, die couragierter waren als sie. Ich habe auch keine Lust, Joachim Gauck als DDR-Bürgerrechtler zu feiern, während andere diese Anerkennung viel mehr verdient haben, und ich fürchte, daß Joachim Gauck als Bundespräsident zur "bürgerlichen" Geschichtsfälschung benutzt wird, künftig die DDR-Bürgerrechtsbewegung auf ihn als Person zu reduzieren und alle anderen auszublenden, so ähnlich wie das schon mit dem einzigen bürgerlichen Widerstand vom 20. Juli 1944 passiert ist, als seien Nazis in gewerkschaftlich geprägten Arbeitersiedlungen nicht von Anfang an auf Widerstand gestoßen.

In diesem Sinne kann ich nur empfehlen, sich mit echten DDR-Bürgerrechtlern wie Ingrid Köppe auseinanderzusetzen und zu fragen, was Joachim Gauck zu dieser Bezeichnung qualifizieren soll, und wenn die Piraten oder selbst die Linke unbedingt einen eigenen Kandidaten aufstellen wollen, wäre eine vollkommen unzweifelhafte DDR-Bürgerrechtlerin sicherlich die perfekte Wahl...



Auf Gauck gegen Wikileaks und für Vorratsdatenspeicherung am 21. Februar 2012 17:53
Re: Was eindeutig für Gauck spricht:

Lochkarte schrieb am 21. Februar 2012 16:11

> Seine Ansichten? Nunja, ich schließe mich da ausnahmsweise mal der
> Meinung des Herrn Trittin an:
>
> http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,816547,00.html

Jürgen Trittin im Interview: "Ich werde mich hin und wieder über Gauck ärgern"...

...da ist eine Bundeskanzlerin mit Ministern, über deren Politik ich mich ständig ärgern muß. Die Union ärgert mich mit ihren vermeintlichen Werten beim Seilschaften um die Hebel der Macht, die FDP ärgert mich mit ihrer neoliberalen Pervertierung des Bürgerrechtsliberalismus, die SPD ärgert mich, weil sie ständig dem reaktionären Drängen der Union nachgibt, und die realoGrünen ärgern mich mit ihren tollen Forderungen, die sie immer sofort für faule Kompromisse preisgeben. Mich ärgert die nationalistische Kleinstaaterei hier, anstelle eines konsequentes Eintretens für ein Europa der Freiheits- und Bürgerrechte. Mich ärgern die Geheimdienste, daß sie Leute wie Petra Pau überwachen, aber V-Leute in den Führungskadern der NPD aus Steuergeldern bezahlen, Rechtsterroristen vom NSU mit echten falschen Pässen der Bundesdruckerei ausstatten und bestenfalls nur wegsehen, wenn die mordend durch Deutschland ziehen. Mich ärgert eine Bildungspolitik, die auf opportunistisches Auswendiglernen statt Begreifen von Zusammenhängen mit 12jährigem turboAbitur und verschulter deutscher Bachelor-Variante setzt. Mich ärgert das Lohn- und Sozialdumping seit Peter Hartz. Mich ärgert die Aufhebung der Gewaltenteilung, daß ein Peter Müller einfach so vom Amt des saarländischen Ministerpräsidenten zum Bundesverfassungsgericht wechseln kann. Mich ärgert auch das undurchsichtige Geschacher um Richterpoten überhaupt, die in Demokratien wie USA oder der Schweiz gewählt werden. Mich ärgert die GEZ-Mafia, daß Merkel sich dort Regierungssprecher aussucht, die dann mit Intendantenposten belohnt werden und daß die Nachrichtenredaktionen laut Brender & Pleitgen Stasi-artig von parteipolitischen Zuträgern überwacht werden, obwohl die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eigentlich die Rechtfertigung für die Rundfunkgebühren ist. Mich ärgert die Nichregulierung der Energiemärkte und die Nichtregulierung des Bankwesens. Mich ärgern mangelhafter Verbraucherschutz und nicht ansatzweise effektiver Schutz meiner Informationellen Selbstbestimmung, von fehlender echter Informationsfreiheit ganz zu schweigen. Und jetzt ärgert mich, daß ich keine Lust mehr auf Tippen habe, obwohl ich lange noch nicht fertig wäre.

Aber dann soll ich mich auch mit Dir und Trittin noch über einen Bundespräsidenten freuen, der mich hin und wieder ärgern wird?



Auf Deutschland kriegt einen Präsidenten, den keiner wollte am 23. Februar 2012 13:25
Gauck-Prüfsteine

Auch wenn sie ihn vielleicht alle nie wirklich gewollt haben mögen, sie werden ihn letztlich auf der Bundesversammlung wählen. Nur wie gehe ich damit um, daß Merkel, Rösler, Gabriel und Trittin meinen, mir einen "Demokratielehrer" vorzusetzen, der auch mir beibringen will, dieses Land zu lieben? Und bevor ich mich auf langes, ermüdendes Zuhören einlasse, formuliere ich doch lieber einfach mal Fragen und hatte das hier bereits getan, was Gauck eigentlich zur Bezeichnung "DDR-Bürgerrechtler" berechtigt:

http://www.heise.de/tp/foren/S-Gauck-das-erste-ganz-grosse-gesamtdeutsche-Geschichtsfaelschungs-Festival/forum-222310/msg-21469973/read/

Nun steht mir als westDeutscher aber ohnehin nicht zu, seine DDR-Vergangenheit zu beurteilen, so daß ich mich sowieso lieber auf Gaucks gesamtdeutsches Wirken konzentriere, und den für mich bisher spannendsten Link zur Debatte habe ich hier von ace of spades bekommen - danke dafür, denn der SPIEGEL unter Augstein war tatsächlich noch exzellenter Journalismus als er den DDR-Bürgerrechtler Konrad Taut im November 1991 zur Stasi-Aufarbeitung Position beziehen ließ, dessen rückblickende Analyse mich heute eigentlich besonders interessieren würde:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13491414.html

Danach war Joachim Gauck schon bei der Erarbeitung des Stasi-Unterlagengesetzes die höchstpersönliche Schnittstelle für den Zugriff westdeutscher Geheimdienste auf die Archive der DDR-Staatssicherheit.

Dabei geht es aber nicht mehr nur um ein Klinkerhaus in Großburgwedel, dabei geht es um ursprünglich von altNazis gegründete Geheimdienste, die V-Leute in den Führungskadern der NPD aus Steuermitteln bezahlen, aber die Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau nachrichtendienstlich überwachen, während sich ihre Schlapphüte irgendwie immer im Umfeld des rechtsterroristisch mordenden NSU tummelten, Uwe Mundlos einen echten falschen Paß der Bundesdruckerei ausgestellt und seinen Vater Siegfried Mundlos aufgefordert hatten, falls sein Sohn sich meldet aus einer öffentlichen Telefonzelle anrufen - dann könne die Polizei nicht mithören. Es geht also um weitgehend verselbständigte Geheimdienste, die tendenziell über Gauck sogar mit Teilen der ehemaligen Stasi fusionieren konnten, und da hätte er sich wirklich eine Herkules-Aufgabe aufgebürdet, diesem Druck zum Zusammenwachsen ganz allein zu widerstehen.

Es gäbe also ziemlich eindeutige, wenngleich schwer zu ermittelnde Kriterien, wie konsequent Joachim Gauck für bürgerrechtliche Ideale eingetreten ist, und wirklich spannend wäre dann seine gesamtdeutsche Haltung zu Fällen wie Simon Brenner oder Mark Stone:

http://www.youtube.com/watch?v=4dQrDcHE6jA

Wird der Stasi-Abwickler die offensichtlichen Parallelen anprangern und effektiv auf eine Beendigung der dies veranlassenden Beamtenkarrieren drängen oder wird Joachim Gauck sich wegducken und die Relevanz verleugnen, sowie insbesondere auch die heute sehr viel beschränkteren Möglichkeiten zur Aufarbeitung als er sie dank der DDR-Bürgerrechtsbewegung hatte, als er mit der Regierung Kohl seine Behörde eingerichtet hat?



Interessant schienen dann zwei Beiträge zur Pastorentätigkeit Gaucks in der DDR (hier und hier), über die ich auch an mein grundsätzliches Problem mit ostDeutschen gelangt bin - nicht daß ich etwas gegen sie hätte, aber für mich sind Menschen Individuen mit einem Lebenslauf, Vorlieben und Abneigungen und gelegentlich Offenheit für Austausch darüber, während ostDeutsche sich oftmals als "Ossis" definieren, sowie meinen, ich müßte mich genauso als "Wessi" definieren, und dann gibt's oftmals nur öde völkische Diskurse oder eben letztlich oft nichts wirklich inspirierendes:
Auf Larve und Schmetterling am 24. Februar 2012 18:52
Re: Hauptsache ficken - notfalls den Staat.

MaxSim schrieb am 22. Februar 2012 09:30

> Und ja, dieser ganze Scheiss spielte sich im Dunstkreis von Gauck,
> Lietz, Leide in Rostock, Guestrow und Berlin in den 80igern ab. Ich
> habe kein Problem damit, einem geneigten TP Redakteur meine Akte zu
> ueberlassen um sich selber auf ca. 1,200 Seiten ekligen Glibbers,
> einen Ueberblick ueber diese albtraumartige Zeit zu machen, statt
> solchen schrecklichen Gestalten wie Diestel als Quellen zu benutzen
> oder gar solche Westbiographen zu nutzen.

Wie wäre es denn, wenn Du Deine Geschichte und ihre Relevanz selbst aufarbeitest?

Du sprichst eine sehr anschauliche Sprache, was Du früher in bestimmten Situationen im Zusammenhang mit Gauck empfunden hast, zu denen Du Dir inzwischen Distanz erarbeitet hast. Das macht selbst ohne Details zu kennen einen durchaus abgeklärten Eindruck, so daß ich Dich gerade eben verlinkt habe als Beispiel, welches Potential Gauck schon in der DDR nicht sinnvoll kanalisieren konnte:

http://www.heise.de/tp/foren/S-Re-Freiheit-und-Verantwortung/forum-222647/msg-21486354/read/

Das war jetzt von mir arg aus der Hüfte geschossen, ohne daß ich mir so vollkommen sicher wäre, da ich weder Deine Stasi-Akte, noch Deine Geschichte dazu kenne. Aber warum willst Du Deine Stasi-Akte jemandem geben, wenn Du selbst eine Geschichte zu erzählen hast? Andere arbeiten derartige Jugenderinnerungen selbst auf bis zur Verfilmung:

http://de.wikipedia.org/wiki/Dorfpunks_%28Film%29
http://de.wikipedia.org/wiki/Fleisch_ist_mein_Gem%C3%BCse_%28Film%29



Auf Larve und Schmetterling am 26. Februar 2012 14:34
Re: Eher nein, denn ...

MaxSim schrieb am 26. Februar 2012 10:35

> > Wie wäre es denn, wenn Du Deine Geschichte und ihre Relevanz selbst
> > aufarbeitest?
>
> Und dies aus unterschiedlichen Gruenden nicht.

Okay, der einzige Aspekt, der für mich danach noch offen ist, bleibt meine grundsätzliche Frage, wenn schon andere Deine Geschichte einer Stasi-Akte erzählt haben, warum Du nicht einfach ein Bedürfnis verspürst, sie endlich selbst zu erzählen.

Fragen der Relevanz oder literarischen Qualität sind da eher nebensächlich. Ich weiß nicht, ob Du "Werke" wie die zuvor von mir verlinkten "Dorfpunks" kennst, das sind nämlich kaum mehr als "Aufarbeitungen" der eigenen, provinziellen Pubertät, worüber das Studio Braun Trio aber ordentlich Buchverkäufe, Theateraufführungen, Verfilmungen und Ruhm realisiert - so etwas ist kurzweilig und auch sehr amüsant, aber hat nichts wirklich bleibendes, wie zum Beispiel der Interview-Film "Inside Deep Throat", der über simple, aber genial geschnittene Interviews mit Pornofilmern ganz große US-Geschichte kommuniziert. Und ich vermute eher nicht, daß Du Deine Stasi-Akte hier angeboten hättest, wenn Du jetzt angesichts des künftigen Bundespräsidenten nicht so viel zu erzählen hättest, daß das mindestens dazwischen läge.

Übrigens lesen sich die meisten Akten der Justiz ebenso, wie Du das aus Deiner Stasi-Akte zitiert hast. Das ist nunmal das Wesen der Fremddefinition, wenn Dir Dein Recht auf Selbstdarstellung geraubt wird, um Dich auf ein Persönlichkeitsprofil zu reduzieren. Das ist vielleicht bei Straftaten mit tatsächlich Geschädigten legitim, wenn gewissenhaft damit umgegangen würde, aber ansonsten überhaupt nicht.

Unrecht dürftest Du daher haben, wenn Du die DDR als ganz kurze Episode ansiehst. Der sozialistische Kitsch und die marxistische Tapete sind zwar weg, aber die kurze Episode war wohl eher die westallierte Besatzungszeit, in der Menschen in Deutschland angefangen hatten, Individuen zu sein, anstatt nur normierte Deutsche, also endlich ihre Freiheit auch wirklich zu leben. Seit der Wiedervereinigung von westReaktionären und ostMob unter Ausgrenzung von ost- und westdeutschen Bürgerrechtlern, dominiert das normDeutschtum leider wieder gesamtdeutsch. Selbst die von Dir erwähnte Bärbel Bohley hatte sich mit Ingrid Köppe überworfen und von Helmut Kohl im Wahlkampf besuchen lassen, während im Westen Persönlichkeiten wie Jutta Ditfurth ausgegrenzt wurden. Von daher finde ich das arg gruselig, daß jetzt jemand von einem breiten Parteienbündnis zum Bundespräsidenten gewählt wird, der Freiheit mit staatlicher Ordnung gleichsetzt, als "Demokratielehrer" allen Bürgern beibringen will, selbige zu lieben, und darüber hinaus noch persönlich die Schnittstelle war beim Zusammenwachsen von Stasi-Unterlagen mit westdeutschen Geheimdiensten.

Wahrscheinlich hast Du's besser hinbekommen als ich, daß Dir die gesamtdeutsche Republikflucht gelungen ist...



Auf CDU nominiert Alice Schwarzer als Bundespräsidenten-Wahlfrau am 27. Februar 2012 15:07
Diese Bundespräsidentenwahl ist so eine Posse...

...da kommt es auf Alice Schwarzer nun wirklich nicht mehr an.

Allerdings bewundere ich diese unfreiwillige Ästhetik, wie die Entfernung der Politik von der sozialen Realität in Joachim Gauck so trefflich auf den Punkt gebracht wird. Exakt diese Gauck wählenden Parteien brauchen alle eine Prediger, der ihnen sagt, daß sie in einem guten Land leben würden, das sie lieben können:

Religion ist ist schon lange nicht mehr das Opium für's Volk,
sondern das Kokain der herrschenden Kaste.



Mit einer unbeantwortetet gebliebenen Frage und einem abschließenden ersten komplett distanzierten Lacher über Gauck hatte ich das Thema erst einmal im Februar abgeschlossen und dann zwei Wochen Bundespräsidenten-Pause genossen bis ich zur nächsten Auseinandersetzung mit diesem Thema schon weitgehend abgeklärt war:

Auf Die unendliche Diskussion über Gauck am 16. März 2012 01:34
Also ich freue mich inzwischen auf Gauck als Bundespräsidenten...

...nicht daß ich irgendetwas respektables von Gauck erwarten würde, aber wenn ich schon keine Abschaffung des Bundespräsidentenamts bekomme, dann doch wenigstens Polit-Comedy aus dem Schloß Bellevue.

Horst Köhler war schon gar nicht schlecht, wobei ich den damaligen Benedikt-Besuch in allerbester Erinnerung habe, wie Köhler vom Papst aus der "Flakhelfergeneration" geschwafelt und Gerhard Schröder sich angewidert abgewendet hatte. Klasse fand ich auch, wie er den Bankern mal für deren Finanzkrise die Leviten gelesen hatte und anschließend - ich meine, es war ein Commerzbank-Chef - dieser nur eine knappe Bemerkung brauchte, um Köhlers überheblichen Pathos zu demaskieren, daß Köhler einfach nur hätte sagen sollen, er hätte das selbst auch alles nicht gesehen, denn andere hatten ja:

http://www.heise.de/tp/blogs/8/147639

Und insbesondere hätte ich mir gewünscht, daß Köhlers Altlasten noch ebenso dramatisch hochgekommen wären, wie bei seinem Nachfolger, aber das von ihm beim IWF neoliberalisierte Argentinien ist nunmal viel weiter weg als Großburgwedel, und Theo Waigel, sowie Thilo Sarrazin, mit denen Köhler für Kohl die Einheit "finanziert" hatte, sind keine Filmproduzenten oder mit Schauspieleriennen verheiratet. Schade irgendwie, aber händchenhaltend mit seiner Frau vor die Kameras laufen, kurz rumzicken, zurücktreten und händchenhaltend wieder wegrennen war immerhin ein filmreifer Abgang.

Christian Wulff zusammenkrachende Bundespräsidentschaft war danach ein Kunstwerk für sich, das ich bereits hier gewürdigt hatte:

http://www.heise.de/tp/blogs/foren/S-Hast-du-schon-mal-etwas-so-schoen-zusammenkrachen-gesehen-Alexis-Sorbas/forum-220180/msg-21327819/read/

In zwei Tagen läuft dann aber die Frist ab, was für mich vor Joachim Gaucks Präsidentschaft noch zu klären gewesen wäre:

http://www.heise.de/tp/foren/S-Gauck-Pruefsteine/forum-222647/msg-21479113/read/

...also werde ich wohl nur diese Posse hier bekommen:

http://www.heise.de/tp/blogs/foren/S-Diese-Bundespraesidentenwahl-ist-so-eine-Posse/forum-222893/msg-21495201/read/

Immerhin ist es jedoch Christian Wulff zu verdanken, daß er Merkels Ignoranz gegenüber den Angehörigen der Opfer des NSU-Terrors nicht mitgetragen und insbesondere die Gedenkveranstaltung vom 23. Februar 2012 vorbereitet hatte. Das mag nach wenig klingen, ist aber angesichts des ignoranten Klimas, gegen das Wulff aktiv geworden war, für deutsche Verhältnisse außerordentlich beachtlich:

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,798596,00.html

Wenigstens diesen Aspekt sollte Gauck als Bundespräsident weiterentwickeln, und als persönliche Schnittstelle für das Zusammenwachsen von Stasi-Unterlagen mit den westlichen Geheimdiensten sollte er auch über hinreichendes Insiderwissen verfügen, damit die Verstrickungen von NSU mit den Inlandsgheimdiensten restlos und nachvollziehbar aufgeklärt werden, damit dergleichen nicht wieder passiert. Als Bundespräsident kann er sich dann endlich auch mal als Bürgerrechtler beweisen...



Auf Die unendliche Diskussion über Gauck am 16. März 2012 11:08
Re: Also ich freue mich inzwischen auf Gauck als Bundespräsidenten...

oyan schrieb am 16. März 2012 04:46

> > ...nicht daß ich irgendetwas respektables von Gauck erwarten würde,
> > aber wenn ich schon keine Abschaffung des Bundespräsidentenamts
> > bekomme, dann doch wenigstens Polit-Comedy aus dem Schloß Bellevue.
>
> Uneingeschränkt Ja! Hoffentlich macht er bis zum Sonntag nicht
> nochmal den Mund auf, dann blasen sie die Wahl wegen offensichtlicher
> Belanglosigkeit gleich ab.

Nein, er soll seinen Mund hemmungslos öffnen, damit ich noch mehr von diesen Artikeln lesen kann, wie diesen genialen Link, den ich vergessen hatte, den aber angelwing weiter unten gepostet hat:

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36550/1.html

>
> > Wenigstens diesen Aspekt sollte Gauck als Bundespräsident
> > weiterentwickeln, und als persönliche Schnittstelle für das
> > Zusammenwachsen von Stasi-Unterlagen mit den westlichen
> > Geheimdiensten sollte er auch über hinreichendes Insiderwissen
> > verfügen, damit die Verstrickungen von NSU mit den
> > Inlandsgheimdiensten restlos und nachvollziehbar aufgeklärt werden,
> > damit dergleichen nicht wieder passiert. Als Bundespräsident kann er
> > sich dann endlich auch mal als Bürgerrechtler beweisen...
>
> Dein zweiter Vorname ist nicht zufällig Sarkasmus?

Findest Du? Das ist eigentlich der Aspekt, den ich wirklich ernst meinte, daß Wulff mit der Angehörigenbetreuung der Opfer der NSU-Morden tatsächlich etwas geleistet hat und Gauck da mit der ganzen Kraft seines Bürgerrechtler-Daseins anschließen muß. Ich wünsche ihm nicht einmal, daß er daran scheitert, wenngleich ich's befürchte, nachdem ich dieses Gauck-Zitat gelesen habe:

"Eine wirkliche Erinnerungskultur ist in einem Volk erst dann auszumachen, wenn nicht nur der Intellekt die neuen Fakten begreift und sich aneignet, sondern wenn auch Elemente einer inneren Einkehr erfolgen. Dass der Einzelne sich fragt: Und ich? Wo war eigentlich meine Position innerhalb dieses Systems? War ich ein Täter? War ich ein Helfer, ein Mitläufer? War ich ein Zuschauer? Oder war ich ein Opfer? Manchmal ist man von jedem etwas gewesen."



Auf Die unendliche Diskussion über Gauck am 16. März 2012 11:22
Whow, alles superwichtige Bundespräsidenten-Aufgaben...

Der Terrier schrieb am 16. März 2012 07:48

> Der Autor hat sich wohl nicht Informiert was der Präsident so
> alles macht und weil ihn Wulff und Gauck nicht passen will
> er gleich das Amt abschaffen. Ob es anderen gefällt und
> ob es notwendig ist interessiert da weniger.
>
> Ist doch bei anderen Themen genauso.
>
> http://www.bundespraesident.de/DE/Amt-und-Aufgaben/Wirken-im-Inland/wirken-im-inland-node.html

Der Link ist wirklich Comedy pur:

Amt­li­che Funk­tio­nen, also Gesetze, Ernennungs- und Entlassungsurkunden kann auch der Bundestagspräsident unterschreiben, und für Begnadigungen sollte das Parlament besser einen Beauftragten wählen, der Rechenschaftsberichte schreibt.

Re­prä­sen­ta­ti­on und Integration, Re­den und An­spra­chen, Ein­ga­ben und Pe­ti­tio­nen, Schirm­herr­schaf­ten, Ju­bi­lä­en und Eh­ren­pa­ten­schaf­ten und Stif­tun­gen sind aufgeblähte Punkte, für die ein Bundespräsident als Institution völlig entbehrlich und bei der selbständigen Entfaltung von Bürger-Engagement oftmals sogar hinderlich ist.

Wir­ken im Aus­land - als wenn die Welt mit den Auftritten von Angela Merkel nicht schon genug dumpfes Deutschtum auszuhalten hätte.

Or­den und Eh­run­gen, die Thomas Bernhard zu Recht als Auf-den-Kopf-scheißen bezeichnet hat, gehören sowieso abgeschafft.



Auf Die unendliche Diskussion über Gauck am 16. März 2012 12:31
Re: Für jedes DDR Opfer

Sport-AWO schrieb am 16. März 2012 12:06

> ist Gauck ein Schlag ins Gesicht.

Jeder Bundespräsident war und ist eigentlich für jeden Bürger ein Schlag ins Gesicht, der sich über eine so herausgestellte Figur völkisch identifizieren soll.

Immerhin hat es bei den zuletzt zurückgetretenen Bundespräsidenten insoweit Klärungsprozesse gegeben, daß sie dazu selbstverständlich beide auch nicht getaugt haben - jetzt ist halt Gauck dran...



Und zwei Tage später, am 18. März 2012 war es dann so weit, daß sich ab zwölf Uhr Mittag die Bundesversammlung Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt hat:

Startseite SPIEGEL ONLINE
Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 15:39
Ich empfehle die Startseite von SPIEGEL ONLINE...

...denn dieses Photo, wie Gauck selbstgefällig und überheblich sein Kinn nach vorn streckt, ist für mich der Eindruck des Tages.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 15:46
Re: Ich empfehle die Startseite von SPIEGEL ONLINE...

Twister2009 schrieb am 18. März 2012 15:40

> "Was für ein schöner Sonntag" begann die Rede...

Ich fürchte, Genugtuung war das Gefühl, das er dabei empfunden hat.

Letzte Nacht gab's in meiner Nachbarschaft eine Party, und da haben ständig ein paar Jungs "Die ganze Welt dreht sich um mich, denn ich bin nur ein Egoist" von Falco gegröhlt. Fällt mir erst jetzt auf, daß das schon nach Mitternacht und irgendwie ein Vorzeichen war.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 15:53
Re: Ich empfehle die Startseite von SPIEGEL ONLINE...

Der Paraklet von Kaborka schrieb am 18. März 2012 15:46

> > ...denn dieses Photo, wie Gauck selbstgefällig und überheblich sein
> > Kinn nach vorn streckt, ist für mich der Eindruck des Tages. >
> Du bist wahrlich ein lupenreiner Demokrat!
>
> Wünsche Dir einen schönen Sonntag,

Stimmt, und danke, denn ich brauche sowieso keine völkische Identifikationsfigur, sondern bevorzuge die verantwortungsbewußte parlamentarische Abarbeitung von Sachfragen ohne bundespräsidiale Vaterfigur, die mit dem Abzeichnen von Gesetzen Merkels Krabbelgruppe auch noch deren nicht ausgefüllte Verantwortung abnimmt.

Das Amt des Bundespräsidenten gehört für mich abgeschafft.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 16:09
Manche wollen diesen Demokratielehrer halt und manche brauchen ihn nicht...

Surkes schrieb am 18. März 2012 15:57

> Wer sich selbst Demokratielehrer nennt oder so nennen lässt, der hat
> von Demokratie so viel Ahnung, wie die Jungfrau vom Kindermachen.
> Andere von der Kanzel oder dem Rednerpult belehren wollen, das sind
> mir die liebsten Menschen! Ich denke wir können auf seine Lehren gut
> verzichten! Sehr gut sogar, die sind nämlich von vorvorgestern.
>
> Der hat uns gerade noch gefehlt!

Gestern hatte Steinmeier über Gauck gesagt: "Das ist ein Demokratie-Lehrer, wie ich ihn mir besser nicht vorstellen kann, und deshalb der richtige Bundespräsident."

Heinrich Mann hätte also geschrieben: Frank-Walter Steinmeier war ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt.

Ich weiß nur, daß Gaucks Freiheit, die er mit staatlicher Ordnung gleichsetzt, nicht meine ist, wie sie sogar das Grundgesetz zu gewährleisten verspricht. Von daher erwarte ich sowieso nichts gutes von ihm, sondern eher unfreiwillige Comedy aus dem Schloß Bellevue, die es bereits mit seinen Vorgängern gab...



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 17:14
Re: SPIEGEL ONLINE verfolgt scheinbar Heise Foren, denn...

Twister2009 schrieb am 18. März 2012 16:40

> Da wurde nur das aktuelle Bild eingefügt, die Fotostrecke hat als
> Photo 1 noch das von dir erwähnte Bild
> >http://cdn2.spiegel.de/images/image-329335-galleryV9-gjdt.jpg

Daß sie's ganz entfernen, hätte ich auch nicht erwartet, aber ich fand die Bildauswahl schon strange, als Aufmacher auf der Startseite so ein Photo zu wählen, das doch eher nach Genugtuung ausgesehen hat. Merkel einen Blumenstrauße überreichend war schließlich als solches durchaus passend, wenn nicht diese überhebliche Kopfhaltung so herausgestochen hätte.

Ich denke, daß das irgendjemandem in der Reaktion auch aufgefallen ist oder die lesen das tatsächlich hier mit, was ich auch nicht völlig abwegig fände. BILDblog hatte auch mal einen Screenshot von bild.de, auf dem BILD vergessen hatte, die prominente Verlinkung des BILDblog-Feeds im Browser des BILD-Redakteurs vor der Veröffentlichung zu retuschieren.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 17:36
Re: Gauck's Idee von Freiheit...

Alex Kloss schrieb am 18. März 2012 17:19

> Ich bin gestern im Buchladen über seine kleine Fibel "Freiheit"
> gestolpert. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Gauck's
> Idee von Freiheit mit einer überzogenen Preisangabe auf der Rückseite
> versehen ist.

...irgendwann wird das auch verrammscht wie Helmut Kohl's Erinnerungen, die ich schon mit Aufkleber 50% neben Märchenbüchern gesehen habe oder zwischen Hörbüchern mit Dieter Bohlen: "Planieren statt sanieren".

Schlimmer finde ich, daß nach allem, was ich bisher von ihm vernommen habe, Gaucks Idee von Freiheit lediglich eine Gleichsetzung von staatlicher Ordnung mit selbiger ist und er damit das Grundgesetz gar nicht verstanden hätte, das eigentlich individuelle Freiheiten anerkennt und zu gewährleisten verspricht.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 18:09
Re: Schande über Telepolis ?

DJ Holzbank schrieb am 18. März 2012 17:55

> Am 18. März 1990 fand die erste und letzte, freie Volkskammerwahl
> statt.
> Und 22 Jahre später sollte die Wahl des "Bürgerrechtlers" zum
> Bundespräsidenten die Entwicklungen historisch abrunden.
> Sollte deutlich machen, dass diese Revolution nicht ihre Kinder
> gefressen hat, sondern vielmehr ihre Ernte eingefahren hat.
> In Freiheit und Verantwortung.

Nix Schande über Telepolis, denn das Thema ist hier lange durch:

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36550/1.html

Außerdem haben die Volkskammerwahlen eher weniger mit der Bürgerrechtsbewegung zu tun, sondern gehören schon zu Kohls Vereinigungsgeplänkel, dessen Verwirklichung jeden 3. Oktober gefeiert wird. Insoweit wäre der heutige Tag für Gauck exzellent gewählt...



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 18:27
Re: Habe Sie EUCH eigentlich gefragt, ob ihr den gut findet?

CravenRoth schrieb am 18. März 2012 18:22

> Es heisst ja, er sei bei der überwältigenden Mehrheit der Bürger
> beliebt.

...es heißt auch immer Merkel sei so wahnsinnnig beliebt beim "Volk", und ich kenne irgendwie niemanden, der sich von ihr gut vertreten fühlt. Kann aber in der parlamentarischen Parallelwelt ganz anders aussehen, und wahrscheinlich hatte Gauck heute auch 99.9% der abgegebenen Stimmen, aber Lammert hat einfach ein paar Unterstützer weg- oder zu Frau Klarsfeld gelogen, damit das nicht so nach DDR-Ergebnis ausschaut.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 18:57
Re: Ich habe Schwierigkeiten, Sie zu verstehen ...

DJ Holzbank schrieb am 18. März 2012 18:40

> Dirk Burchard schrieb am 18. März 2012 18:09
>
> [...]
> > Nix Schande über Telepolis, denn das Thema ist hier lange durch:
> >
> > http://www.heise.de/tp/artikel/36/36550/1.html
>
> In Form einer Satire?
> Das ist für mich keine angemessene Form.

Wieso? Dort sind doch die Essentials von Gaucks Bürgerrechtler-Dasein dokumentiert und sogar sehr viel deutlicher als selbst Heinrich Heine derartiges in seinen Versen nicht an der kleinlichen preußischen Zensur hätte vorbeischleusen können.

>
> > Außerdem haben die Volkskammerwahlen eher weniger mit der
> > Bürgerrechtsbewegung zu tun, sondern gehören schon zu Kohls
> > Vereinigungsgeplänkel, dessen Verwirklichung jeden 3. Oktober
> > gefeiert wird. Insoweit wäre der heutige Tag für Gauck exzellent
> > gewählt...
>
> Das ist leider schon wieder ein gewaltiges Durcheinander.
> Weshalb ist der heutige Tag gut gewählt, wo doch der 3. Oktober
> besser wäre?

Bis zum 3. Oktober hätten sie nicht warten können mit der Neuwahl eines Bundespräsidenten.

> Der 18. März war ein "zerrissenes Datum", wo letztlich Kohls "Allianz
> für Deutschland" (ein 3-Parteien-Bündnis) gemeinsam mit den
> ostdeutschen Sozialdemokraten gewonnen hat.
> Wo Gauck zwar gejubelt haben dürfte, aber damals jedenfalls noch in
> der falschen "Partei" war. Im Neuen Forum nämlich.
> Bezüglich der März-Wahl 1990 fällt auf, gerade wegen der
> verschiedensten Gruppierungen, die letztlich in die Volkskammer
> eingezogen sind, wie vielstufig und differenziert die Antworten
> damals waren.
> Von der DSU bis zur Vereinigten Linken (beide im Parlament).
> Und dass die nachfolgende "Aufarbeitung", an der Gauck beteiligt war,
> nur noch 3 Kategorien zur Charakterisierung dieser Gesellschaft
> kannte: Stasi, Mitläufer, Gegner.
> Dieser Rechtfertigungsdiskurs hat sich seitdem weiter
> zusammengezogen. Auch die streitbaren Gegner, wie Tschiche, sind
> seitdem nur noch eine halbwegs akzeptierte Minderheit: Weil es nicht
> darum geht, was war oder gewollt war, sondern was aktuell diskursiv
> anschlussfähig ist.
> Westdeutschland versichert sich mittlerweile vermittelt durch
> Springer und 3 bis 4 "Bürgerrechtler" darüber, dass es auf dem
> richtigen Weg ist.
> Genau SO funktioniert die Figur Gauck.

Was Du mit dem Begriff "Westdeutschland" bezeichnest und damit aus Deinem ostdeutschen Verantwortungsbereich schiebst, ist für mich üblicherweise die Wiedervereinigung von westReaktionären und ostMob unter Ausgrenzung von ost- und westdeutschen Bürgerrechtlern, aber ansonsten sind wir uns über Gauck als Person vermutlich einig, und da ich die Volksammerwahlen schon zu diesem Kohl'schen Vereinigungsgeplänkel zähle, paßt doch das heutige Datum zu Gauck.



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 20:00
Re: Ich habe Schwierigkeiten, Sie zu verstehen ...

DJ Holzbank schrieb am 18. März 2012 19:25

> Da ist jedoch mehr zu sagen, und deshalb wehre ich mich gegen die von
> Ihnen angeführte Referenz.

Moment, es ging um Deinen Vorwurf "Schande über Telepolis", daß sie a) den Bezug zum heutigen Tag nicht erwähnt hätten (geschenkt, hast Du ja im Kommentar nachgeholt) und b) darüber nicht den vorgeblichen Bürgerrechtler-Hintergrund Gaucks aufbereitet hätten, wozu ich einen Link anzubieten wußte, der massiv mehr Fakten bereithielt, als diese Tage etwa auf SPIEGEL ONLINE zu finden wäre oder bei der GEZ-Mafia. Was soll denn diese alberne Beschwererei?

>
> > > > Außerdem haben die Volkskammerwahlen eher weniger mit der
> > > > Bürgerrechtsbewegung zu tun, sondern gehören schon zu Kohls
> > > > Vereinigungsgeplänkel, dessen Verwirklichung jeden 3. Oktober
> > > > gefeiert wird. Insoweit wäre der heutige Tag für Gauck exzellent
> > > > gewählt...
> > >
> > > Das ist leider schon wieder ein gewaltiges Durcheinander.
> > > Weshalb ist der heutige Tag gut gewählt, wo doch der 3. Oktober
> > > besser wäre?
> >
> > Bis zum 3. Oktober hätten sie nicht warten können mit der Neuwahl
> > eines Bundespräsidenten.
>
> Wozu übertreiben?
> Ich habe lediglich behauptet, dass unter verschiedenen, im Frage
> stehenden Wochenenden im März und April eben der 18. März ausgewählt
> wurde.
> Und wenn wir schon bei Daten sind: Das nächste, geschichtsträchtige
> Datum wäre nicht der 3. Oktober gewesen, sondern der 1. Juli. Also
> der Beginn der "Wirtschafts- und Währungsunion".

Der 1. Juli wäre aber Köhler-, Sarrazin- oder Waigel-Tag und nichts für einen vorgeblichen Bürgerrechtler - ist aber auch egal, weil die Fristen bis dahin ebensowenig gereicht hätten, zumal diese Gestalten sowieso nicht zur Wahl standen.

>
> [... gekürzt ...]
>
> > Was Du mit dem Begriff "Westdeutschland" bezeichnest und damit aus
> > Deinem ostdeutschen Verantwortungsbereich schiebst, ist für mich
> > üblicherweise die Wiedervereinigung von westReaktionären und ostMob
> > unter Ausgrenzung von ost- und westdeutschen Bürgerrechtlern, aber
> > ansonsten sind wir uns über Gauck als Person vermutlich einig, und da
> > ich die Volksammerwahlen schon zu diesem Kohl'schen
> > Vereinigungsgeplänkel zähle, paßt doch das heutige Datum zu Gauck.
>
> So gerne ich Ihnen zustimmen würde, so wenig kann ich dies.
> Ein akzeptabler Rückblick müsste wenigstens die richtigen Worte
> finden, um die Situation rückblickend korrekt zu beschreiben.
> "Bürgerrechtler" z.B. gab es 1990 weder im Westen noch im Osten.
> Und auch keinen "Mob" oder "Pöbel".
> Das sind alles Worte, die später dominant geworden sind, weil sich in
> den letzten 20 Jahren die gemeinsame Gesellschaft gewaltig verändert
> hat.

Meine persönliche Meinung hängt nicht von der Zustimmung anderer ab, und selbstverständlich gab und gibt es Bürgerrechtler auch im wiedervereinigten Deutschland, und es gibt Reaktionäre und Mob, sowie diverse Graustufen dazwischen, wobei ich als anschaulichstes Beispiel immer Angela Merkel verwende, als den Inbegriff für ostMob, wie sie sich Helmut Kohl als "Mädchen" angebiedert hatte und sich für ihre persönliche Karriere dabei nicht zu schade war, die besseren Argumente gegen das Atommüllendlager Morsleben, vertreten durch Heidrun Heidecke (eindeutig Bürgerrechtlerin), zu brechen:

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-61366517.html

West- und ostDeutsche haben gleichermaßen individuelle Lebensläufe mit manchmal wenigen und oftmals sehr asozialen Aspekten als Reaktionär oder mitlaufend bis mittrampelnd im Mob, und bezüglich der Person Joachim Gauck bin ich jedenfalls neugierig, inwieweit seine scheinbar eher hohle Fassade der öffentlichen Neugierde auf das Bundespräsidialamt standhält, woran seine beiden Vorgänger jedenfalls gescheitert sind - oder positiv ausgedrückt, wenn Joachim Gauck meinen Respekt als Bürgerrechtler, Geheimdienst-Experte und Demokratie-Lehrer haben will, dann muß er mindestens alle diese Baustellen restlos aufarbeiten und positiv kanalisieren:

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36333/1.html

http://www.heise.de/tp/artikel/36/36476/1.html



Auf Joachim Gauck ist neuer Bundespräsident am 18. März 2012 20:22
Freiheit ist problematisch, nicht nur für Joachim Gauck...

Phlegias schrieb am 18. März 2012 19:49

> > Ich weiß nur, daß Gaucks Freiheit, die er mit staatlicher Ordnung
> > gleichsetzt, nicht meine ist, wie sie sogar das Grundgesetz zu
> > gewährleisten verspricht. Von daher erwarte ich sowieso nichts gutes
> > von ihm, sondern eher unfreiwillige Comedy aus dem Schloß Bellevue,
> > die es bereits mit seinen Vorgängern gab...
>
> aber wieso gelingt es so vielen hier im Forum nicht, sich sachlich
> damit auseinander zu setzen?

Ich habe das hier mehrfach versucht, zum Beispiel hier mit Verlinkungen zu weiteren Versuchen:

http://www.heise.de/tp/foren/S-Re-Freiheit-und-Verantwortung/forum-222647/msg-21486354/read/

Ich denke, es ist grundsätzlich schwierig, hier in den Diskussionsforen über die inhaltlichen Vorgaben der jeweiligen Artikel hinauszugehen. Soweit die TP-Redaktion also Gaucks Freiheitsbegriff demnächst vermutlich ausgiebiger thematisiert, dürfte die Diskussion in den Foren erheblich einfacher werden.

Mal ganz abgesehen davon sind Freiheit und damit auch Eigenverantwortung, sowie letztlich Individualität ohnehin Themen, die nicht mehr so einfach zu kommunizieren sind wie in den noch halbwegs liberalen 80ern, weil mit dem neopreußisch-nazionalen Wiedererwachen infolge der Kohl'schen Wiedervereinigung nunmal viel soziale Umgangs-Kultur zerstört worden ist, die sich erst wieder ungestört neu entwickeln müßte...





©   Dirk Burchard   InternetWerkArchiv   InternetPhotoGalerie   dburchard@web.de

UP