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© Dirk Burchard zum 1. April 2007 www.ryker.de/dirk/archiv/kohl.html

April, April!

Das mit dem Friedensnobelpreis für Kohl kann Barroso nicht ernst gemeint haben.

Der Friedensnobelpreis verhilft zu Aufmerksamkeit, Anerkennung und letztlich auch zu einer nicht unbeträchtlichen Finanzspritze. Aung San Suu Kyi habe ich das alles gegönnt, Nelson Mandela oder Schirin Ebadi, und dann fiele mir als künftiger Favorit spontan Garri Kasparow ein. Niemand anderes in Rußland stellt sich so charismatisch und mit so viel Lust am demokratischen Widerstand der Diktatur von Putins KGB-Seilschaften entgegen. Und wenn nichtmal Arnold Schwarzeneggers Bilanz als Gouverneur in Kalifornien schlimmer ausfällt als die seiner Parteikameraden im Weißen Haus, dann sollte für einen zweifellos zu komplexem Denken fähigen Schachweltmeister problemlos Partei zu ergreifen sein.

Hat Helmut Kohl den Friedensnobelpreis verdient?, fragte jedoch am Mittwoch die Hamburger Morgenpost und forderte ihre Leser zu eMails an politik@mopo.de de auf. Schon die Frage ist dumm, aber zu lustig ihr Anlaß: Angela Merkel wollte sich in Berlin mit ihrem Festakt zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge in die europäischen Geschichtsbücher feiern. Dabei fuhr ihr der christdemokratische EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in ihre Parade, der Helmut Kohl für den Friedensnobelpreises vorschlagen will. Ausgerechnet jenen Helmut Kohl bei dem Merkel ihren politischen Aufstieg als graue Maus, Frauen- und ostQuote gleichermaßen erdient hatte, für den sie willig die Argumente der Umweltbewegung kleindrückte, die sie heute vereinnahmt, um sich als Kämpferin gegen die Klimakatastrophe zu inszenieren. Derselbe, an dem Merkel sich als Sauberfrau inszeniert hatte, die CDU müsse lernen, ohne das alte Schlachtross Helmut Kohl eigene Wege zu gehen - damals ließ sie Kohl im Parteispendensumpf versinken, konnte ihn politisch beerben und zum lebenden Denkmal degradieren, das nur zu Einheitsfeiern hervorgeholt wird und winken darf. Könnte Barroso nicht gewußt haben, daß Kohl für Merkel ein wunder Punkt ist? Unmöglich.

Abgesehen davon, daß schon Condoleezza Rice seinerzeit mehr für die Wiedervereinigung gearbeitet hatte als Helmut Kohl, dem diese von der Weltpolitik in die Kanzlerschaft gelegt wurde als er seine Herrschaft schon abgewirtschaftet hatte, reduziert sich seine 16jährige Kanzlerschaft auf folgende Leistungen:

Gehört Kohl vor ein Tribunal? Eigentlich schon, genau wie millionen deutsche Mitläufer, die mit ihrem Führer erst nach seinem verpatzten Endsieg gebrochen haben wegen popeliger Spendernamen, die Peanuts gegen den Gesamtschaden seiner Kanzlerschaft waren. Aber Kohl ist bereits bestraft. Sein gesamtes politisches Programm reduzierte sich auf die Wirtschaftswunder-Frisur seiner Ehefrau Hannelore, und je mehr ab 1990 der ostMob das westdeutsche Kräfteverhältnis zugunsten der Reaktionäre verschob, und je mehr Kohl die Restaurierung des Miefs der 50er Jahre gelang, umso weniger mochte sich Hannelore Kohl in der Öffentlichkeit zeigen bis sie sich wegen ihrer Lichtallergie das Leben nahm. Wenn schon ich gruselig finde, wie sich diese Zusammenhänge aufdrängen, wie muß das erst Helmut Kohl empfinden?

Mit Angela Merkels Trippelschritten auf der Stelle und zurück scheitert der feudale Regierungsstil der KohlÄra engütig. Darauf folgt entweder das totale Chaos oder wieder eine Besinnung auf Menschen- und Bürgerrechte, wie sie in den 60ern von einer Avantgarde vorbereitet, in den 70ern in westDeutschland immerin ansatzweise etabliert wurde und sogar bis zum Fall der Mauer gehalten hatte. Für das totale Chaos engagieren sich Putins KGB-Seilschaften, George W Bush und deren Anhänger - einschließlich der deutschen Propaganda-Medien, die nicht nur russische Bürgerrechtler kleinreden (1, 2, 3, 4, 5, 6). Sie alle werden am 3. Oktober wieder Kohls mißratenen Einigungsvertrag feiern und sich selbst, wie sie sich hochbezahlt von der Zivilgesellschaft abheben, die Merkel im Mai zur Reanimierung der gescheiterten EU-Verfassung anhören will, um mal ein Stück europäische Öffentlichkeiten in ihre Debatten einzubringen...

Nachtrag: Möglicherweise ernst gemeint vorgeschlagen wurde Kohl dann von Michail Gorbatschow.





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