© Dirk Burchard an Silvester 2014 | www.ryker.de/dirk/archiv/supergedenkjahr.html |
Es gab viel zu lernen während dieses Supergedenkjahrs – insbesondere daß die politische Klasse in Berlin schnell sehr viel dazulernen muß, um nicht schon wieder mit einem verlorenen Weltkrieg zum Lernen gezwungen zu werden. Aus ihrem Führerinnenbunker hat die protestantische Pastorentochter Angela Merkel bereits den westeuropäischen Einigungsprozeß demoliert, selbst Adenauers Westintegration der Bundesrepublik entleert und sogar die CDU in besorgniserregender Weise gespalten, da rechts von ihr AfD-Populisten und Pegida-Mob brodeln. Derweil richtet sich der evangelische Pastor Joachim Gauck das Schloß Bellevue als protestantischen Vatikan ein und präsentiert als Prediger der uniformen deutschen Volksseele anschaulichst, warum Bismarck den Protestantismus zur Staatsreligion erheben wollte und damit eine Auswanderungswelle nach Amerika entfacht hatte, wie ich vor zwei Jahren im Auswanderermuseum BallinStadt gelernt und das eigentlich auch ohne Gaucks Demonstration geglaubt hatte. Auf mich wirken die beiden abgewirtschaftet wie das Ehepaar Ceaușescu kurz vor ihrer Hinrichtung, ohne jede Vision, festgefahren im völkischen Mief, und bei dieser Gelegenheit meine 100-Tage-Merkel-Bilanz vom Aschermittwoch 2006 noch einmal zu lesen, hat mich arg gegruselt, denn so unbedingt hätte ich gar nicht recht behalten müssen.
Gefühlt 250.000 mal hat Bundespräsident Joachim Gauck während seiner Weihnachtsansprache das völkische „Wir“ bemüht, und glaubwürdig wurde er schon allein deshalb nicht, weil „Wir“ uns zwar nicht fürchten sollten, aber er so offensichtlich Angst vor seinem Teleprompter hatte und bei jedem Satzende erleichtert war, daß es nicht vor seinem Ablesen verschwunden war. Nein, ich hätte auch keine Angst, daß für Probleme keine Lösungen findbar wären – mich sorgt allein, daß diejenigen gar nicht erst suchen, welche die Postionen mit Mitteln und Macht dazu besetzt halten.
Mitte der 90er war ich in Bremen noch taz-Leser als deren USA-Korrespondentin Andrea Böhm nach Berlin zurückgekehrt festgestellt hatte, die Diskurse würden völkisch – damals hatte sie noch etwas ausgelöst, was heute „Shitstorm“ genannt würde, aber inzwischen hat die völkische Krankheit die Menschen in Deutschland mehrheitlich erfaßt. „Wir“ sind nur noch eine Masse, die sich die Führerin passend zu „unserem” gesunden Volksempfindens wählt, und „man“ muß sich dann halt anpassen. Vorbei ist die liberale Zeit in den westlichen Besatzungszonen, da widerstreitende politische Meinungen bei Individual-Bürgern um Überzeugung und Mehrheiten gebuhlt haben. Deutschland wird heute so zaristisch regiert wie Putins Russland. Das zur allgemeinen Lähmung breitgetretene Gefühl, daß „Mutti“ sich angeblich kümmert, ersetzt komplett die demokratischen Diskurse. Wer nicht mitmacht, stellt sich selbst abseits, wie mir das ein Brandenburger noch im alten Jahrtausend anschaulich vorgehalten hatte, um mich als Volksschädling niederzupöbeln.
Zum Glück gab es dieses Jahr zweimal Europa-Wahlen, nämlich die offiziellen Elite-Wahlen Martin Schulz gegen Jean-Claude Juncker und dann noch solche, bei denen es um Inhalte ging – gut, die Elite-Wahl hat nachträglich auch noch ihren Inhalt bekommen, daß endlich das Unternehmenssteuer-Dumping in Luxemburg am Pranger steht, aber dessen Regulierung hatte ich schon 2012 gefordert. Ich gebe zu, daß ich zuletzt einen „Eurovision Song Contest“ gesehen habe, da hieß der noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, aber diese in Dänemark ausgerichtete Europawahl war schwer beeindruckend. Die Menschen in Dänemark pflegen zu sagen, was sie denken, tragen Konflikte hart aus und werden über diese Kultur der Konfliktbewältigung glücklicher als Menschen in anderen Ländern und sogar mit ihrer Arbeit zufriedener. Gewonnen hat in diesem diskursfreudigen Umfeld mit unglaublich vielen Stimmen sogar aus Osteuropa eine bärtige Drag-Queen mit ihrer Hymne für ein tolerantes Europa als Gegenentwurf zu Putin. So weit, so verdient, aber interessanter war eigentlich eine Lagerbildung, an deren Spitzen die Beiträge aus den Niederlanden und Polen standen und so den zentralen Gesellschaftskonflikt in Europa herausstellten:
Freiheit und die mit der Französischen Revolution erstrittenen Menschenrechte als Abwehrrechte gegen den Staat waren mal das Ideal westlicher Demokratien bis George W Bush mit seiner Gefolgschaft diese Ideen übelst ramponiert hat, daß Individuen sich untereinander zur größtmöglichen Verwirklichung ihrer jeweiligen Individualität arrangieren und sich ihren Staat nur für die Organisation von Infrastruktur, Daseinsvorsorge und Konfliktbewältigung einrichten. Dieses traditionelle westliche Freiheitsgefühl zeigte der Beitrag aus Holland einfach nur mit zwei Individuen, die prächtig miteinander harmonierten. Damit hätten die Niederländer auch verdient gewonnen, wenn nicht die bärtige Drag-Queen aus Österreich diese ur-westliche Freiheit gegen Putin hätte verteidigen müssen. Und wie die völkische Konditionierung, die insbesondere aus dem Osten die ohnehin fragile westliche Freiheit bedroht, zeigten dann Polen… | …„Slawistik“ ist das Studium der slawischen Sprachen. Das Studium von Politik und Geschichte dieser Regionen wird hingegen „Osteuropakunde“ genannt. Das macht Sinn, denn als Völkerkunde, verkommt die Slawistik zu einer osteuropäischen Variante der arischen Rassenlehre. Leider wirkte der polnische Beitrag aus exakt diesen Gründen wie Adolf Hitlers Große Deutsche Kunstausstellung mit dieser Preisung von schlichten, angeblich slawischen Rollenklischees, die übrigens zumeist osteuropäische Aktivistinnen von Femen so leidenschaftlich persiflieren. Ausgerechnet aus Polen kam so ein Individualitäts-feindlicher Beitrag, von wo am lautesten nach Beistand „Des Westens“ gegen Russland gerufen wird, um dann mit Rollenklischees zur Untertanen-Konditionierung in „Gelenkten Demokratien“ schamlos zu kokettieren, wie das übrigens ebenso Angela Merkel macht mit ihrer vorgeblichen Distanz zu Putin bei gleichzeitiger Übernahme von dessen zaristischem Regierungsstil. |
Insbesondere weil der Eurovision Song Contest kein Eliten-Treffen, sondern mehr ein Unterschichten-Festival ist, beruhigt doch ungemein, daß auf die Menschen in Europa durchaus Verlaß wäre, wenn ihnen tatsächliche Inhalte zur Auswahl gegeben würden, und es fällt auch auf, daß dieses Kampf-Klischee „Der Westen“ als östliche Projektion zaristischer Hierarchien zwecks Ausblendung individualistischer Ideale für die breite Masse gar keine echte Versuchung darzustellen scheint.
Zurück zu Europas Eliten, die leider seit der deutschen Wiedervereinigung von 1990 einen Rückfall in die nationalistische Kleinstaaterei verschuldet und auch im Supergedenkjahr nichts aus der Geschichte gelernt haben:
In Deutschland hätte das Supergedenkjahr mindestens Anfang Juli beginnen müssen als sich die Fertigstellung von Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ zum hundertsten Mal jährte. Damals gab es noch „48er“, die um 1848 mit Robert Blum für eine liberale Paulskirchenverfassung mit Bürgerrechten gestritten hatten und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs von kaisertreuen Nationalisten wieder unterdrückt waren, wie Heinrich Mann das so pointiert beschrieb, daß „Kaiser“ genauso durch „Führer“ oder „Mutti“ ersetzt werden könnte:
„Aus dem Lande des Erbfeindes,“ schrie Diederich, „wälzt sich immer wieder die Schlammflut der Demokratie her, und nur deutsche Mannhaftigkeit und deutscher Idealismus sind der Damm, der sich ihr entgegenstellt. Die vaterlandslosen Feinde der göttlichen Weltordnung aber, die unsere staatliche Ordnung untergraben wollen, die sind auszurotten bis auf den letzten Stumpf, damit, wenn wir [pg 505] dereinst zum himmlischen Appell berufen werden, daß dann ein jeder mit gutem Gewissen vor seinen Gott und seinen alten Kaiser treten kann, und wenn er gefragt wird, ob er aus ganzem Herzen für des Reiches Wohl mitgearbeitet habe, er an seine Brust schlagen und offen sagen darf: Ja!“Auch ohne den ersten Weltkrieg tatsächlich begonnen zu haben, waren es jedenfalls Deutsche in ihrem ewigen Deutschland-Deutschland-über-alles-Rausch, die vor über hundert Jahren in Europa Spannungen mitgeschürt haben, Deutsche haben auch den ersten Giftgas-Krieg der Weltgeschichte geführt und wurden erst über ihre erste Weltkriegs-Niederlage zur Demokratie gezwungen, die 1848 noch gescheitert war. Kaiser Wilhelm II unterzeichnete am 28. November 1918 seine Abdankung, die Reichskanzler Max von Baden schon am 9. November 1918 verkündet hatte. Diese beiden Daten markieren das Ende der Monarchie in Deutschland und den Auftakt zu zwei gescheiterten Staatsformen und zwei parlamentarischen Demokratie-Versuchen, wobei der zweite und derzeitige erst seit 1990 mit dem Abzug der Besatzungstruppen auf die deutsch-deutsche Wiedervereinigung als selbständiger Versuch gelten kann. Trotzdem die BBC zum 100. Jahrestag des Attentats von Sarajevo rappend eine vom Inzest degenerierte europäische Herrscher-Elite vorführte und darüber den Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Stänkerei des russischen Zaren und des britischen Königs gegen ihren dämlichen Cousin in Berlin interpretiert hat, hätten diese damit immer noch die Preußen zu ihrem ersten Demorkatieversuch gezwungen.
Dieser erste Versuch war übrigens nicht an „Den Nationalsozialisten“ gescheitert, über die heute gern geredet wird, als sei Deutschland von 1933 bis 1945 vorübergehend mal von Außerirdischen besetzt gewesen – nein, die Weimarer Republik scheiterte exakt am 23. März 1933 im Reichstag mit einer fast noch demokratischen Abstimmung, deren größter wirklicher Makel war, daß die kommunistischen Abgeordneten durch naziSchergen von der Abstimmung ferngehalten worden waren. Otto Wels hatte an diesem 23. März 1933 im Reichstag die vorerst letzte parlamentarische Rede gehalten und für die Sozialdemokraten die Ablehnung des Ermächtigungsgesetzes begründet, mit dem der Parlamentarismus wieder abgeschafft und eine Art Führer-Monarchie eingeführt wurde mit den Stimmen des deutschen Bürgertums, das darauf erst am 20. Juli 1944 den Widerstand erfunden haben will und folglich nach einem weiteren verlorenen Weltkrieg unter westallierter Besatzung erneut zur Demokratie gezwungen worden ist.
Auf diese Vorgeschichten waren in diesem Supergedenkjahr die Feierlichkeiten in Berlin zum 25-jährigen Jubiläums des Mauerfalls nichts als armselig. Barg Christos Reichstagsverhüllung 1995 noch die Hoffnung, daß ein neues Deutschland ausgepackt werden könnte, konnten dieses Jahr vom ehemaligen Mauerverlauf aufsteigende Luftballons eher insoweit ein treffliches Bild abgeben, da viele zuvor schon von Souvenirjägern entwendet worden waren und die politische Elite ihr Happening hatte, das der verhüllte Reichstag noch für die Allgemeinheit war. Und nachdem ich selbst 1996 dafür eingetreten war, statt zur Unterzeichnung des Kohl'schen Einigungsvertrags vom 3. Oktober 1990 den Tag der deutschen Einheit am 9. November zu begehen, gerade wegen der vielfachen Bedeutungen dieses Tags in der deutschen Gesichte und auch um die Meßlatte für politische Reden möglichst hoch zu legen, beschämt es mich, daß ausgerechnet Wolf Biermanns Drachenbrut-Gepöbel gegen die Linkspartei als „elenden Rest“ der DDR die krönende Rede dieses 25. Mauerfalljubiläums gewesen sein soll. Dummerweise hat Gregor Gysi ihm sogar noch recht gegeben mit seiner jämmerlichen Erwiderung, denn ich an seiner Stelle hätte einfach eingestanden, daß die DDR ein pseudo-demokratischer Irrweg war, aber daß seine Links-Partei als Nachfolgepartei von Kommunisten trotzdem noch massiv besser dasteht als die bürgerlichen Parteien im Hinblick auf den 23. März 1933, denen das Reichsgesetzblatt vom 24. März 1933 als ihre blutroten Socken vorzuhalten wäre.
Daß Nationalismus und versäumte Demokratisierungen sich immer rächen, insbesondere auch nicht wirklich effektive Bürgerrechte, sich staatlicher Willkür auch widersetzen zu können, hätte eigentlich die zentrale Lehre dieses Supergedenkjahres werden können, gerade im Hinblick auf ein derart großes Versäumnis schon in diesem Jahrtausend:
Das Jahr 2000 beendete das alte Jahrtausend und übertrug eine gefährliche Altlast ins neue, da infolge von Unregelmäßigkeiten bei den US-Präsidentschaftswahlen im Bundesstaat Florida am 20. Januar 2001 George W. Bush anstelle von Al Gore ins Weiße Haus einzog. Bush wurde am 26. Juni 2001 vom damaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak vor Terrorakten auf eigenem Territorium gewarnt: „Wenn die USA nicht auf eine Beilegung der Gewalt (im Nahen Osten) dringen, könnte sich diese Gewalt in Terrorismus verwandeln“, am 11. September 2001 geschah dies auch, und Bush startete einen Kreuzzug gegen seine Achse des Bösen mit einer Koalition der Willigen. Zu dieser Koalition gehörte Deutschland nicht, und der Dank dafür gebührt Donald Rumsfeld. Bundesverteidigungsminister Peter Struck hatte eigentlich nur betont, daß seine Bundeswehr während der Besatzungszeit auf die Verteidigung der Landesgrenzen beschränkt keine Kapazitäten für Auslandseinsätze hätte, und vermutlich hätten die USA für ihre Vergeltungskriege deutsche Infrastruktur nutzen können wie immer. Aber Donald Rumsfeld nahm 2002 keine Rücksicht auf den Bundestagswahlkampf von Gerhard Schröder und ätzte beständig gegen das „Alte Europa“ bis letztlich zu seinem berühmten „Wenn man sich bereits im Loch befindet, sollte man aufhören zu graben", um sogleich zu bemerken: „…erm, I'm not sure I should have said that“. Oppositionsführerin Angela Merkel ist kurz nach dieser Bundestagswahl in die USA geflogen, hatte Condoleezza Rice und Donald Rumsfeld besucht, mit ihrer ostdeutschen Sozialisation kokettiert, sie trüge das neue Europa in sich, und heute muß das als faktische Zustimmung gelten, daß sie als Bundeskanzlerin geheime Foltergefängnisse der CIA auf deutschem Boden geduldet hätte. Ungefähr zu diesem Zeitpunkt begann die Überwachung von Angela Merkels Handy, wie die Veröffentlichungen von Edward Snowden belegen, und das war gar nicht wirklich von Nachteil für sie selbst, sondern der Beginn ihrer neben Nicolas Sarkozy einzigen politischen Freundschaft mit George W Bush.
Bush und Merkel waren das Welt-Dream-Team der Vereitelung von Klimaschutz. Zwischen der allerersten Weltklimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro und jenem ersten ertragreichen 1997 in Kyoto, hatte es 1995 auch einen in Berlin gegeben mit Kohls Bundesumweltministerin Angela Merkel als Gastgeberin, so daß diese später ihren Freund George gern mit Klimaschutz geneckt hat. Der hat sie dann mit „She's smart, she's clever“ zur Welt-Klima-Queen erhoben, und dann durfte er den mächtigsten Mann der Welt geben und ihren Einsatz für den Klimaschutz beenden, denn es war ja nicht Merkels Arbeit, die eingestampft wurde, und seit ihr Freund George sie nicht mehr stoppt, interessiert sich Merkel auch nicht mehr für Klimaschutz. Die Menschenrechtsverletzungen des Bush-Regimes haben Merkel auch nie wirklich gestört, noch nicht einmal in den Fällen Murat Kurnaz oder Khaled al-Masri – erst als der farbige Nachfolger im Weißen Haus Bushs Dreck nicht schnell genug ausgekehrt hat, begann sie, sich zu empören. Sicher, US-Präsident Barack Obama hat es nicht geschafft, Guantanamo zu schließen, weil es für viele Gefangene keinen Ort mehr gibt, wohin sie zurückkehren könnten, aber Angela Merkel hat es noch nicht einmal geschafft, die Asse zu räumen, wobei Umweltverbände wegen der Einflußnahmen des Atom-Lobbyisten Gerald Hennenhöfer vermuten, die Räumung solle bis zum Einsturz der Asse verzögert werden, damit keine illegalen Einlagerungen bekannt werden. Zwischen den Jahren kochte nun über Neuwahlen in Griechenland Merkels und Schäubles oberflächlich zugekleisterte Euro-Krise wieder hoch, während Barack Obama gegen parlamentarische Mehrheiten der Republikaner Erfolge feiert, wie die Anprangerung von Bushs CIA-Folter, seiner Aussöhnung mit Kuba, einem Anspringen der US-Wirtschaft und einem starken Dollar – Merkel hingegen hat nichts: Die mit billigen Euro von Mario Draghi hochgezockten deutschen Wirtschafts-Indices zählen nicht, ebensowenig deutsche Exporterfolge, solange diese aus der ehemaligen D-Mark-Zone durch die Euro-Krisenländer verbilligt werden, auch nicht die reichen Kapital-Flüchtlinge aus Griechenland oder Spanien, die in deutschen Großstädten den Wohnungsmarkt leerkaufen, und für das Hartz'sche Lohndumping gehört Deutschland ebenso angeprangert wie Luxemburg für sein Steuerdumping. Bliebe die Fußballweltmeisterschaft, also der völkische Nationen-Wettstreit mit dieser deutschen Inszenierung von Team-Play junger Männer, deren Beziehungen danach zerbrechen, mal abgesehen davon, daß so wie nach der Französischen Fußballweltmeisterschaft dort die Vorstädte brannten, sich in Deutschland der Pegida-Mob erhebt.
Partnerschaften, in denen Merkel destruktive Kräfte herausfordert, kennzeichnen ihre gesamte politische Laufbahn. Auf den Gängen der Treuhandanstalt hatte sie noch selbst gepöbelt „Machen'se mal die Kamera aus“, wurde bald für die Atominidustrie zur brutalsten Bundesumweltministerin der deutschen Geschichte und 1998 Gespielin von Guido Westerwelle, der mit Parolen wie Gewerkschaften-entmachten! den bürgerrechtsliberalen Flügel der FDP zugunsten seines wirtschaftsliberalen Kurses kaltgestellt hatte. Beide konnten die rot-grüne Bundesregierung vor sich herjagen mit ihrer Bundesratsmehrheit zu einer Zeit, da politische Diskurse sonntags auf Gebührenzahlerkosten inszeniert wurden, als Lobbyisten aus reaktionären ThinkTanks in Experten umgelogen wurden und Sabine Christiansen geistfeindliche Gladiatorenkämpfe ausfechten ließ – ein Bundesfinanzminister, der 1998 die Regulierung der Finanzmärkte angehen und die damals noch nach ihrem Erfinder Tobin-Steuer genannte Finanztransaktionssteuer einführen wollte, hatte keine Chance, angeblich Politik gegen die Wirtschaft zu betreiben, und keine Hartz-Reform ging Merkel & Westerwelle weit genug. Als Bundeskanzlerin setzte Franz Müntefering für sie eine Mehrwertsteuererhöhung und die Rente mit 67 durch, und Merkel konnte die Annäherung von EU und Türkei stoppen, indem sie statt eines Beitritts eine „Privilegierte Partnerschaft“ anbot, worauf Recep Tayyip Erdoğan erwartbar trotzig absprang. Die deutsch-französische Freundschaft der alten Bundesrepublik hat Merkel längst wieder in Richtung der alten „Erbfeindschaft“ demontiert, und aktuell schaukelt Merkel mit David Cameron zum BrEXIT auf. Merkel wird Deutschland und Europa ebenso zerstört hinterlassen wie ihr politischer Freund Bush die USA und die Weltwirtschaft.
Mit ihrer heutigen Neujahrsansprache beklagt Angela Merkel Kälte und Haß von Pegida und anderen rechts von ihrer Christen-Union wachsenden Bewegungen an, von denen sie sich offensichtlich getrieben fühlt, ganz so als hätte sie nicht längst alternative Politik durchsetzen müssen und niemals selbst verkappte Nationalismus-Debatten begonnen oder nicht kürzlich sogar viel grausamer als Pegida die weitgehend ungeklärten Verstrickungen bundesdeutscher Geheimdienste in die NSU-Morde als „Dinge aus der Vergangenheit“ abgehakt – Glaubwürdigkeit geht anders, aber das war Merkel schon auf Fukushima egal, als sie vor einem Superwahljahr ein Hochkommen ihrer eigenen
atomaren Altlasten gefürchtet, und den von ihr zurückgenommenen rot-grünen Atomausstieg wiederhergestellt hatte. Und da Merkel mit Bundespräsident Gauck schon lieber Kriege herbeiredet, als für eine Vision in Europa zu streiten, setze ich dem jetzt einfach meine eigene Neujahrsansprache entgegen, denn ich will seit jeher ein Europa ohne Rückfall in die nationalistische Kleinstaaterei, in dem freie Bürger selbstbestimmte Lebensperspektiven finden können, und dabei möchte ich gern europaweit verstanden werden, ohne mich deutsch über Menschen in anderen Ländern zu erheben:
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